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Bach in Leipzig: Werke mit Blockflötenbesetzung

Der erste Leipziger Kantatenjahrgang (1723–24)

Schauet doch und sehet, ob irgendein Schmerz BWV 46

Im ersten Kantatenjahrgang (1723–24) eröffnet dies die eindrucksvolle und auch für die Blockflöte sehr dankbare Kantate Schauet doch und sehet, ob irgendein Schmerz BWV 46, erstmals aufgeführt am 1.8. 1723. Sie besticht durch ein reiches Instrumentarium, bestehend aus Trompete, 2 Blockflöten, 2 Oboi da caccia, Streichern, Generalbass und Chor. Bach muss Teile dieser Musik offenbar selbst hoch geschätzt haben, denn er verwendete einige Kantatenteile auch in einem seiner musikalischen Meilensteine: Der 10 Jahre später teilweise ins „Qui tollis peccata mundi“ der h-Moll Messe verändert eingearbeitete mächtige Eingangschor beginnt mit einer Art Präludium, in welchem die beiden Altblockflöten das Geschehen im eindrucksvollen Schmerzenschor (z.T. in Seufzerfiguren) imitatorisch selbständig umspielen. Es folgt eine kontrapunktisch ausgedehnte Fuge mit obligaten konzertanten Blockflötenpartien. Im Tenorrezitativ, einer langsam pulsierenden Klage übers zerstörte Jerusalem, spielen die Blockflöten eine schwelende Wechselfigur, pausieren jedoch in der anschließenden Unwetterszene der Bassarie (Interessanterweise werden die Blockflöten auch in der Kantate BWV 81 nicht zur Illustrierung des Sturms herangezogen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommen hohe Blockflöten ab und an in Sturmwind-Szenen vor). In der Altarie – eine Bassettchen-Arie, in welcher die Oboi da caccia im Unisono spielend und in erhöhter Lage die Partie des begleitenden Basses übernehmen – entpuppen sich Blockflöten wieder als Trägerinnen einer typisch pastoralen Szenerie im geistlichen Kontext. Ein ganz eigentümlicher Affekt entsteht im Schlusschoral. Während Chor und Instrumente auf den Choral-Fermaten innehalten, kadenzieren die Blockflöten in kleinen Zwischenspielen, welche imitatorisch um nur eine Achtelnote verschoben sind. Es entsteht eine Art in sich irisierendes Echo; ein Effekt, welcher noch durch eine in modernen Ausgaben oft unterschlagene, spezielle Besetzungsanweisung Bachs verstärkt wird (siehe auch in der Matthäus Passion), nämlich einem „a due“, d.h.: die beiden Blockflötenstimmen sollen hier jeweils paarweise besetzt werden (hierfür wechselten die Spieler der Oboi da caccia kurzzeitig zur Blockflöte, was aus dem zeitgenössischen Aufführungsmaterial ersichtlich ist). Die dabei entstehenden, intonatorisch bedingten Schwebungen setzt Bach hier offenbar ganz bewusst ein! Bis auf diese Besetzungsanweisung bewegen sich die Altblockflötenpartien im herkömmlichen Ambitus und sind auch in der Ausführung unproblematisch, da sie nunmehr keiner relevanten Stimmtondifferenz unterliegen.

Lobe den Herrn, meine Seele BWV 69a

Die festliche Kantate Lobe den Herrn, meine Seele BWV 69a vom 15.8. 1723 ist die Urform von BWV 69, der durch Bach umgearbeiteten Ratswechselkantate vom 26.8. 1748. Offenbar waren schon bei einer Wiederaufführung um 1727 gewisse Instrumentalisten und Sänger nicht verfügbar, so dass der 3. Satz umgearbeitet worden ist: Von C-Dur nach G-Dur, statt Tenor- eine Altstimme, in der oberen Instrumentalstimme an Stelle einer Altblockflöte eine Violine und in der zweiten Stimme eine Oboe anstatt einer Oboe da caccia. Da heute gewöhnlich nur das für die Blockflöte unrelevante BWV 69 gespielt wird, konzentriert sich die Aufmerksamkeit für Blockflötenspieler eher auf den erhaltenen Einzelsatz aus BWV 69a.

Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe BWV 25

Zwei Wochen später erstellte Bach die von Bläsern dominierte Kantate BWV 25 Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe.  Im Eingangschor in Form einer groß angelegten Doppelfuge bringt parallel ein von einem Cornetto angeführter Posaunenchor den vierstimmigen Choralsatz über „Herzlich tut mich verlangen nach einem selgen End“ ein. Dabei färben in der Oberoktave 3 Altblockflöten das Choralzitat im Unisono ab. In der von zwei Instrumentaltrios festlich begleiteten Sopranarie konzertiert das eigenständige Flötentrio parallel zum Oboen- und Streicherchor. (Ein zweimaliges fis’’’ kann heute durchgangsweise im Legato mit dem so genannten „Mogelgriff“ angebunden werden.) Hier verwendet Bach erneut, wie schon zuvor im Brandenburgischen Konzert Nr. 2, für die Flöten eine besondere Spielart, den Tremulanten. Im Schlusschoral duplieren alle Instrumente die Stimmen im Chorsatz, wobei die Flöten im Unisono die Sopranpartie einfärben.

Preise, Jerusalem, den Herrn BWV 119

Gleich zum vierten Mal in innerhalb eines Monats setzte Bach nun Blockflöten ein! Die Kantate Preise, Jerusalem, den Herrn BWV 119 wurde am 30.8. 1723 aufgeführt und sogar in der Presse als „vortreffliche Ratswahl-Music“ erwähnt. Ihre festliche und bislang für Leipzig größte Bach-Besetzung mit Chor und Soli, 4 Trompeten, Pauken, 2 Blockflöten, 3 Oboen (darunter auch 2 Oboi da caccia), Streichern und mehreren Generalbassinstrumenten hebt majestätisch in einer Art Französischer Ouvertüre an: eingangs im punktierten Rhythmus und Durchgangskaskaden; der geschäftige Mittelteil ist einmal nicht fugiert gestaltet. Die beiden Altblockflöten werden als selbständige Orchesterinstrumente behandelt. Das Bassrezitativ harmonisieren die Flöten zusammen mit den Oboi da caccia in einem Klangteppich, spielen jedoch in der Altarie im Unisono die instrumentale Gegenpartie zur Gesangstimme. Ein zum Gesamtklang zurückkehrender Chorsatz beinhaltet ebenfalls die Flöten, welche darin unterschiedliche Funktionen selbständig wahrnehmen. Im abschließenden Choral duplieren die Flöten die Sopranstimme.

Magnificat Es-Dur BWV 243a

Die seltener gespielte Erstfassung des zur Christvesper am 1. Weihnachtstag 1723 geschrieben Magnificat Es-Dur BWV 243a enthält in Satz 9, der Alt-Arie Esurientes in charakteristischer Klangfarbe eine Partie für zwei Altblockflöten. Es ist eine gelöste, pastorale Musik in Terzen und Sexten über die Speisung der Hungrigen und Verschmähung der Reichen. Für einen anderen Anlass wurde das Magnificat vermutlich nach 1730 in einer überarbeiteten Version insgesamt einen Halbton abwärts nach D-Dur transponiert. Damit wurde der ursprüngliche in F-Dur stehende Satz in E-Dur für Blockflöten unspielbar und deshalb der Umstände wegen mit Querflöten besetzt. So wird das Stück auch heute meist aufgeführt. Trotzdem passen Atmosphäre und das klare Klangbild der Blockflöten eigentlich  besser zu Text und Musik. Bei heutigen Aufführungen wäre zu überlegen, ob nicht auch bei der Spätfassung, anstelle der Querflöten, transponierenden Blockflöten der Vorzug gelassen werden sollte.

Sie werden aus Saba alle kommen BWV 65

Eine erneute Prachtentfaltung zum Dreikönigsfest instrumentiert Bach in der am 6.1. 1724 erklungenen Kantate Sie werden aus Saba alle kommen BWV 65: Jeweils 2 Hörner, Altblockflöten, Oboi da caccia mit Streichern und Generalbass begleiten einen Tenor- und einen Basssolisten. Eine Kompositionsskizze befindet sich schon auf der letzten Partiturseite der Kantate BWV 81 und zeigt, dass Bach offenbar an mehreren Werken gleichzeitig arbeitete. Im Eingangchor tragen die Blockflöten in einer klangprächtig umrahmten Fuge wieder zum festlichen Charakter bei. Vor weiteren Rezitativen und einer Arie wird ein kurzer Choral eingeschoben, bei welchem die Flöten die Oberstimme duplieren. Die Blockflöten tauchen wieder in der tänzerischen Tenorarie auf, in einer für die Instrumental-Ritornelle Melodie tragenden Rolle und ebenso im Schlusschoral.

Jesus schläft, was soll ich hoffen BWV 81

Zwei Altblockflöten werden in der Kantate Jesus schläft, was soll ich hoffen BWV 81 vom 30.1. 1724 nur in der klagenden Eröffnungsarie verwendet – ihre Partien stehen in den Stimmen der Oboi d’amore. Die Flöten färben in dieser Altarie die Geigenstimmen in der Oberoktave ab; an einigen Stellen lösen sie sich im Ensemble in eigene Linien oder begleiten die Stimme alleine.

Gleich wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt BWV 18

Die in Weimar am 24.2. 1715 entstandene Kantate Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt BWV 18 setzte Bach für eine Wiederaufführung in Leipzig am 13.2. 1724 vereinheitlichend von g-Moll in den Kammerton nach a-Moll und fügte ihr neu zwei oktavierende Altblockflöten hinzu – sie verleihen im ganzen Werk den beiden obersten Partien des vierstimmigen Bratschenensembles Nachdruck: In der einleitenden instrumentalen Sinfonia entwickelt sich eine ernste Stimmung. Die Flöten duplieren dort Bratsche eins und zwei in der Oktave laufend, außer im Ripieno, wo sie mitunter pausieren. Im weiteren Verlauf des Stückes hingegen färben die Flöten die Bratschen andauernd ab. Im dramatisch gestalteten Tenorrezitativ mit deklamatorischen Choreinwürfen sind die Blockflöten Teil des Accompagnato. In der Sopranarie entsteht ein reizvoller Effekt, wenn beide Flöten im Unisono und 2 Bratschen eine Oktave tiefer eine einzige Stimme spielen.

Der Tonumfang ist wieder sehr exponiert (1. Flöte bis a’’’). In der Sopranarie unterschreiten die unisono spielenden Flöten ihren Tonumfang sogar um einen Halbton – wohl versehentlich – gleich viermal, was nicht sehr ins Gewicht fällt, da ja die Bratschen in der Unteroktave mitspielen. Bei der Wahl Modernen Altblockflöten mit E-Fuß wäre diese Arie heute ohne Einbußen spielbar. Im abschließenden Choral verstärken beide Flöten im Unisono den Sopran in der Oberoktave.

Himmelskönig sei willkommen BWV 182

Das bereits in Weimar vor einem Jahrzehnt komponierte kammermusikalische Concerto Himmelskönig sei willkommen BWV 182 griff Bach für eine erneute Aufführung am 25.3. 1724 wieder auf. Jedoch konnte er nicht das ganze Aufführungsmaterial unverändert verwenden. Für die Aufführung in Leipzig wurde das gesamte Stück vereinheitlichend in seine tiefere Tonart gesetzt, also auch die Blockflötenpartie in ein neues Griffbild eine kleine Terz abwärts transponiert. Um damit verbundene Umfangsunterschreitungen und teilweise schwierige Griffverbindungen der Flötenstimme in der zentralen Altarie zu vermeiden (z.B. ais’-gis’-fis’), korrigierte Bach einige Stellen. Interessanterweise übertrug Bach die zu transponierende Partie nicht einer Querflöte, obwohl sich damit einige Probleme erübrigen würden! Diese behelfsmäßigen Änderungen werden heute jedoch nicht immer berücksichtigt, da sie musikalisch nicht ganz befriedigen. Spielt man nun als Blockflötist lieber die an der Weimarer Fassung orientierte, tiefer transponierte und als ursprüngliche Stimmführung „bessere“ Flötenstimme – welche dann bis e’ hinabreicht – ist die Verwendung einer modernen Altblockflöte mit Extension zum e’ zweifellos die beste Lösung, zumal auch das hohe fis’’’ in dieser Fassung öfters exponiert vorkommt.

Der zweite Leipziger Kantatenjahrgang Bachs (1724–25)

Schmücke dich, o liebe Seele BWV 180

Für die Kantate Schmücke dich, o liebe Seele BWV 180 vom 22.10. 1724 kehrt Bach wieder zur normalen Stimmgröße zurück. Im einleitenden Choralchorsatz sind zwei Altblockflöten einem Paar aus Oboe und Oboe da caccia entgegengestellt, sowie einer Streichergruppe, dazu kommt der Chor. Die Flöten gestalten im Instrumentalensemble die Gigue-artigen Figuren mit, oder blasen längere Haltenoten. In der folgenden Tenorarie spielt ein Querflötensolist muntere Passagen; es schließt sich ein Sopranrezitativ mit konzertierendem Violoncello piccolo an. Erst in Satz 4 und 5 erscheinen die beiden Blockflöten wieder, im Alt-Rezitativ und in der im tänzerischen Polonaisenrhythmus dahineilenden Sopranarie, wo sie am melodischen Geschehen der begleitenden Instrumente teilnehmen. Im schlichten Schlusschoral ist explizit keine Instrumentalbegleitung vermerkt – heute lässt man die Flöten meist im Unisono den Sopran duplieren. Es sind keine originalen Stimmen erhalten geblieben. Jedoch kann auch hier vermutet werden, dass der Querflötensolist eine der Blockflötenstimmen gespielt haben könnte.

Das neugeborne Kindelein BWV 122

In der an Silvester 1724 erstaufgeführten Kantate Das neugeborne Kindelein BWV 122 kommt in Satz 3, dem Sopran-Rezitativ ein Blockflötentrio vor. In der Partitur sind die Blockflöten ins Streichersystem geschrieben: Flöte 1 und 2 interessanterweise im herkömmlichen Violinschlüssel notiert, dazu noch eine Oktave tiefer (wohl aus Platzmangel) und Flöte 3 im Bratschenschlüssel. In den Stimmen findet man dagegen wie üblich alle Blockflöten in den Französischen Violinschlüssel gesetzt – die beiden Oberstimmen in der Oberoktave. Es ist möglich, dass Bach ursprünglich gar nicht an eine Verwendung von Blockflöten dachte. Jedoch – Weihnachten ließ auch damals grüßen – zum Glück wählte er hier eine fürs Fest charakteristisch elysische Klangfarbe und ließ bei seiner Aufführung die Oboisten kurzzeitig Blockflöte blasen.

Herr Jesu Christ, wahr’ Mensch und Gott BWV 127

Im großen Choralchor der am 11.2. 1725 aufgeführten und noch heute hoch geschätzten Kantate Herr Jesu Christ, wahr’ Mensch und Gott BWV 127 sind mehrere musikalische Ebenen miteinander verwoben, etwa gleich zwei verschiedene Choräle in vokaler und instrumentaler Form. Zwei Altblockflöten musizieren selbständig im dichten Stimmgefüge des Ensembles aus 2 Oboen, Streichern, Chor und eventuell einer Tromba parallel und im stetigen Wechsel Unisono, in affektiert majestätischen Rhythmen und bringen ein Mal das gesangliche Choralzitat ein. In der innigen Sopranarie „Die Seele ruht“ tupfen die Blockflöten in pulsierenden Achtelstaccati ein sphärisch-harmonisches Gerüst für ein ausdruckstarkes Oboensolo und die Sopranstimme hin, von welchem sie sich nur an wenigen Stellen lösen. Am Ende des Arienmittelteils treten Streicher im Pizzicato hinzu und imitieren damit die Sterbeglöckchen. Die Flöten pausieren im folgenden Bassrezitativ, wo in gewaltigerer Szenerie vom Vergehen von Himmel und Erde im Feuer und vom Brechen der Todesbande die Rede ist. Sie treten aber im Schlusschoral an die Seite des Chorsoprans.

Kommt, fliehet und eilet BWV 249 (Osteroratorium bzw. Osterkantate)

Die Musik des Osteroratoriums bzw. der Osterkantate Kommt, fliehet und eilet BWV 249 wurde von Bach gleich mehrere Male für liturgische und weltliche Zwecke umgearbeitet. Blockflöten kommen – wieder als besonderes Moment – soweit bekannt, nur in der Fassung vom 1.4. 1725 vor (die heute als Endfassung angesehen wird) und zwar in einem Satz, der Tenorarie Nr. 7. Hier wechselten die Oboisten vorübergehend die Instrumente. In bezaubernder Instrumentation kombiniert Bach ein Colla Parte: Zwei Altblockflöten duplieren die sordinierten Violinen 1 und 2 in der Oberoktave. So entsteht in dieser durchgehaltenen Klangkombination eine Art neues Instrument im Sinne einer künstlich erzeugten französischen Drehleier, wie sie dann etwa auch in der ursprünglich Vivaldi zugeschriebenen Sonatensammlung Pastor fido (1737) verlangt wird. Tatsächlich unterstützen zusätzliche Faktoren den Klangeindruck: über lange Strecken wird über einen Orgelpunkt respektive über einen relativ leiernden Bordunton in schwebenden Wechselparallelen musiziert, ehe sich die Musik weiter verändert. In einer weltlichen Fassung ist in dieser Pastoralarie von Wieget euch, ihr satten Schafe, in dem Schlafe unterdessen selber ein die Rede. In der nun von Bach zu einem geistlichen Wiegenlied parodierten Version singt Petrus über dem Schweißtuch Jesu vom Trost im sanften Todesschlummer.

Er rufet seinen Schafen mit Namen BWV 175

In der innigen Kantate Er rufet seinen Schafen mit Namen BWV 175 vom 22.5. 1725 schreibt Bach in geistlichen Pastoralszenen sinnreich und auch sehr anspruchsvoll für 3 Altblockflöten. Sie treten gleich zu Beginn auf und umspielen in parallelen Wechselnoten das kurze Tenorrezitativ über einem Orgelpunkt. Es folgt das anspruchvollste Werk Bachs mit Blockflötentrio, die Altarie Komm, leite mich (der Adressat ist Jesus, der als guter Hirte angerufen wird). In schmachtenden, ausholenden Linien und angereicherten Harmonien schaffen die Flöten eine tiefgründige und stetig fortdrängende Atmosphäre. Im Schlusschoral schweigen die vorher verwendeten Trompeten. Es spielt jedoch wieder das Blockflötentrio, die Choroberstimmen oktavierend, wobei Flöte 2 und 3 teilweise eigene Durchgangstöne halten.

Der dritte Leipziger Kantatenjahrgang (1725–27)

Meine Seufzer, meine Tränen BWV 13

Die Kantate Meine Seufzer, meine Tränen BWV 13 vom 20.1. 1726 verwendet zwei Altblockflöten gleich zu Beginn im Instrumentalquartett der Tenorarie. In den Ritornellen gehen die Flöten im wiegenden Zwölfachtel-Takt und bereiten dem Gesang meist in gesanglichen Parallelterzen den Weg, während eine Oboe da caccia das eigentliche Soloinstrument ist. Im Mittelteil der Arie verlassen die Instrumente ihren Gang nur kurz für rhetorische Figuren. Nach einem kurzen Generalbass begleiteten Rezitativ spielen Flöten und die Oboe im dritten Satz, einem begleiteten Choral, im Unisono mit der Altchoralstimme; die Streicher steuern ein eigenständiges und konzertantes, instrumentales Accompagnato bei. In der Bassarie gehen wiederum Blockflöten und eine Solovioline in sonderbarem Klangeffekt durchgehend colla parte. Das musikalische Material besteht einerseits aus chromatisch geführten Seufzermotiven und andererseits in Freudenrhythmen entfliehende Zweiunddreißigstel Skalen. Um an zwei Stellen im Unisono die Flöten nicht in problematische Töne (e’ und fis’) zu manövrieren (e’ unterschreitet den Umfang und fis’ klingt auf einem historischen Instrument ohne Doppelloch unsäglich matt), werden die Töne in den separaten Stimmen über andere Töne umgangen, was jedoch einen nachteiligen Effekt aufs beabsichtigte Unisono hat. Diese Problematik kommt heute bei Verwendung der extendierten Modernen Altflöte nicht zum Tragen. Im Schlusschoral treten die Flöten, Oboe und Violine gemeinsam im Unisono der Sopranmelodie bei (die Flöten in der Oberoktave). Ein Detail mag noch von Interesse sein: in der ersten Flöte finden sich für Satz 3 und im Schlusschoral vor manchen Schlusstönen Trillerzeichen.

Brich den Hungrigen dein Brot BWV 39

Die Kantate Brich den Hungrigen dein Brot BWV 39 vom 23.6. 1726 ist die letzte Kantate, in welcher Bach Blockflöten verwendet. Im großen, wechselchörig angelegten Eingangschor kontrastieren die instrumentalen Klangfarben im unmittelbaren Abstand. Jeweils 2 Altblockflöten und Oboen, Streicher und der Chor illustrieren die textliche mahnende Thematik zunächst in abbrechend kurzen Motiven, die fast echoartig und noch lange anhaltend in den Satz hineingearbeitet werden. Es folgt eine Fuge, darauf einen in imitatorischer Technik aufgebauter Abschnitt mit abwärts geführten Symbolsequenzen der Flöten. Dem schließt sich erneut eine Fuge an, dann homophone Choreinwürfe und nochmals eine musikalische Rückbesinnung – jedoch mit freudig bewegter Verheißung göttlichen Lohns. Einem Rezitativ folgen drei Soloarien, von denen eine obligat mit Blockflöten besetzt ist. Sie spielen konstant im Unisono, was vielleicht die besonders friedvolle Stimmung Höchster, was ich habe in die Sopranstimme spiegeln soll. Interessant ist wieder die durchgehende Verwendung des Legatos (wenn freilich nicht immer konsequent und in der Begrenzung deutlich notiert) in den Blockflötenstimmen. Bach legte offenbar auch bei diesem Instrument Wert auf eine besonders klangvolle und zusammenhängende Wiedergabe. Im Schlusschoral verstärken die Flöten (Unisono in der Oberoktave) gemeinsam mit den Oboen und der ersten Violine die Choralmelodie im Sopran.

Späte Werke

Matthäus Passion BWV 244

Von einem der gewaltigsten Werke Bachs, seiner Matthäus Passion BWV 244, gibt es mehrere Fassungen. Während die Frühfassung BWV 244b vom 11.4. 1727 noch durchgehend mit Querflöten besetzt ist, entschied sich Bach für eine Wiederaufführung am 30.3. 1736 im 1. Teil der Passion einen Satz, das Tenorrezitativ O Schmerz! hier zittert das gequälte Herz Nr. 19 in f-Moll ersatzweise mit Blockflöten zu besetzen. Zwei Altblockflötenstimmen spielen zusammen mit zwei Oboi da caccia klagende Motive und begleiten den Tenorsolisten in vier Abschnitten über einem repetierendem Orgelbass im Pianissimo; dazwischen singt ein Choralchor. Interessant ist eine Instrumentationsanweisung in der Partitur: der Vermerk  „due Flauti“ meint eine Doppelbesetzung jeder Flötenstimme, was auch aus originalen Violinstimmen ersichtlich wird. Offenbar wechselten mindestens vier Ripien-Geiger kurzzeitig zur Blockflöte – die hingegen sonst beschäftigten Traversflötenspieler pausieren an dieser Stelle! Vielleicht hat Bach die bei einer mehrfachen oder sogar chorischen Besetzung, insbesondere bei Blockflöten entstehenden Tonschwebungen auch hier bewusst zur Textausdeutung eingesetzt. Diese Instrumentierung zielt zweifellos auf einen besonderen, einmaligen Effekt. Leider wird heute meistens der Aufwand vermieden, so dass diese Partie zweistimmig von Querflöten geblasen wird.

Cembalokonzert F-Dur BWV 1057

Das Cembalokonzert F-Dur BWV 1057 wird auf 1738 datiert und gilt mit der anspruchsvollen Verwendung zweier Altblockflöten als Bachs spätester Beitrag für unser Instrument. Es ist seine eigene Transkription des 4. Brandenburgischen Konzertes von 1721. Er übertrug die Solopartien der Violine dem Cembalo und transponierte das Stück von G-Dur nach F-Dur. Die Ecksätze bekommen offenbar in der Bezeichnung etwas langsamere Tempi. Die Blockflötenpartien passte er der neuen Tonart geschickt an, figurierte sie sogar noch etwas aus und vermied nun vormalig problematische Töne, wie das unliebsame tiefe und hohe Fis. Im Allgemeinen liegen die Blockflötenpartien grifftechnisch günstiger, als in der Erstfassung. Der Echoeffekt im 2. Satz wird noch deutlicher, da die relevanten Partien ganz dem Cembalo zugeordnet sind und die Flöten nun nur noch im Tutti mitspielen. Lediglich im fugierten 3. Satz werden die Flötenstimmen nicht verändert, sondern nur transponiert.

Leider steht das Stück heute im Schatten seiner Erstfassung.

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