43. Deutscher Musikwettbewerb
Leipzig, 27. Februar – 11. März 2017
Ein besonderes Augenmerk galt dem diesjährigen Deutschen Musikwettbewerb (DMW) – dem wohl wichtigsten Ereignis für den hiesigen Klassiknachwuchs auf professioneller Ebene seit seinem Gründungsjahr 1975: Neue Disziplin unter den diesmal 14 Kategorien ist die Blockflöte in der Solowertung! Wie der Kommentator Claus Fischer des SWR2 ausdrückte, war die Berücksichtigung der Blockflöte als Soloinstrument einerseits »eine Folge der Originalklangbewegung«; ein weiterer Pluspunkt für die Soloflöte, so Projektleiterin Irene Schwalb, sei andererseits die Lebendigkeit des Instruments in der neuen Musikszene. Entgegen dieser Polarität und gerade im Kontext des Repertoires anderer Instrumente bot sich somit für unser Instrument die Möglichkeit, einmal nicht in einem ausgewiesenen Alte-Musik-Wettbewerb mit der entsprechenden Thematik anzutreten, sondern mit ganzer Bandbreite aus der Üppigkeit des Instrumentariums sowie des Repertoires zu schöpfen.
Die Aussicht, StipendiatIn oder sogar PreisträgerIn des DMW zu werden, lockte schließlich 16 BewerberInnen an der Blockflöte (davon 13 in der Solokategorie Blockflöte und das Blockflötentrio TriTonus Hamburg in der Wertung für Ensembles in freier Besetzung) mit weiteren rund 200 Klassik-Stars von morgen zu wetteifern. Neben der landesweiten Aufmerksamkeit waren stattliche Sonderpreise und hohe Preisgelder ausgeschrieben, die der DMW vom Ministerium für Kultur und Medien, der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sowie der Kulturstiftung der Länder erhält.
Zugelassen war diesmal ein großes Spek-trum an Kategorien: Blockflöte, Querflöte, Oboe, Horn, Tenorposaune, Bassposaune, Cembalo, Klavier, Schlaginstrumente, Duo Violine-Klavier, Duo Viola-Klavier, Klaviertrio, Ensembles in freier Besetzung und Komposition.
Alle Wertungsdurchgänge waren in der Hochschule für Musik und Theater Leipzig kostenfrei öffentlich zu besuchen und ergaben somit ein interessantes Bild der Leistung der unter 30jährigen MusikerInnen Deutschlands. Bewertet wurden die TeilnehmerInnen in vier Durchgängen: Vorentscheidungen trafen fünfköpfige Fachausschüsse sowie schließlich eine 36-köpfige Gesamtjury. Prominent besetzt war die Jury für Blockflöte: Jeremias Schwarzer von der Hochschule für Musik Nürnberg, Robert Ehrlich von der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, Dorothee Oberlinger von der Universität Mozarteum Salzburg, Maurice Steger von der Gstaad Baroque Academy sowie Michael Silberhorn vom CD-Label GENUIN. Die Fachjury zeichnete verantwortlich für das Wettbewerbsrepertoire sowie für die eigenständige Bewertung der ersten beiden Durchgänge. Betrachten wir Anforderungen und Pflichtstücke: Das Profil des ersten Durchgangs verlangte für die Blockflöte folgende Beiträge: 1. eine hochbarocke originale Blockflöten-Sonate mit eigenen Verzierungen, 2. die Darbietung von Luciano Berios Gesti von 1966, 3. ein Werk eigener Wahl.
Wer den zweiten Durchgang erreichte, sollte 4. eine eigene Konzeption/Werkgruppe zum Thema »Frühbarock« (in der Dauer von zehn Minuten) präsentieren, 5. eine ebenfalls zehnminütige französische Suite oder Ausschnitte daraus vortragen und 6. ein zeitgenössisches Werk aus folgender Auswahl spielen: Louis Andriessens »Sweet«, Franco Donatonis »Nidi II«, Moritz Eggerts »Außer Atem«, Samir Odeh-Tamimis »Gibíl«, Rolf Riehms »Weeds in Ophelia´s hair ...«, Fausto Romitellis »Seascape«, Giorgio Teddes »Austro« oder zwei Sätze aus »Chinesische Bilder« von Isang Yun.
Diese Zusammenstellung ist kennzeichnend für das gegenwärtige Selbstverständnis der Grundpfeiler anspruchsvollen solistischen Blockflötenspiels. Lediglich VertreterInnen der vorangegangenen Generationen von Blockflötenkundigen werden womöglich bedauern, nichts anderes als Früh- und Hochbarock sowie Avantgarde vorgesetzt zu bekommen.
Ein Blick aufs Pflichtrepertoire anderer Instrumente im Wettbewerb ist ebenso bezeichnend: Locker überbietet mittlerweile die Querflöte die Blockflöte an stilistischer Vielfalt – verlangt werden Stücke des französischen und vermischten Hochbarocks, der Klassik, der Früh- und Hochromantik, des Impressionismus und Expressionismus, der Moderne und Avantgarde. Selbst Oboe und Horn haben mehr zu bieten. Interessant ist, dass hier Werke von Komponisten wie Eugène Bozza oder York Bowen verlangt werden, welche ebenfalls erstklassige originale Werke für Blockflöte geschrieben haben. Lediglich bei der Tenor- und Bassposaune ist das Repertoire ähnlich schmal; epochenbedingt noch eingeschränkter kommen Cembalo und Schlag-
instrumente daher.
Zum Glück konnten dann die TeilnehmerInnen in der neu geschaffenen »Carte blanche« eines rein persönlich gestalteten, knapp dreiviertelstündigen und selbst moderierten Programms für die dritte Runde selbst entscheiden, was sie nunmehr der Gesamtjury präsentieren wollten. Gefragt waren Persönlichkeit, künstlerische Schwerpunkte, Vielfalt und Kreativität.
Unter den BlockflötistInnen in die dritte Runde geschickt wurden Elisabeth Wirth (geb. 1989) und Maximilian Volbers (geb. 1994) – Trägerin und Träger erster Preise beim Deutschen Musikwettbewerb »Jugend Musiziert«, Eleven bei Meisterkursen von Jeremias Schwarzer und Studierende bei Dorothee Oberlinger an der Universität Mozarteum Salzburg sowie Absolventen der Gstaader Baroque Academy bei Maurice Steger. Beide durften sich hernach mit weiteren 15 TeilnehmerInnen über ein Stipendium des Deutschen Musikwettbewerbs 2017 freuen und sind aufgenommen in ein Förderprogramm, welches eine Betreuung der PreisträgerInnen über mehrere Jahre beinhaltet, eine Vermittlung an Veranstalter von Konzerten, an Orchester, die Beratung in Karriereaufbau und in Selbstmanagement. Maximilian Volbers – der Maurice Steger zu seinen Mentoren zählt – schaffte es nach den drei Wertungsdurchgängen vor der Gesamtjury unter vier ausgewählten Solisten in den letzten Durchgang und damit ins Orchesterfinale. Selbst mit Barock-
ensemble einzustudieren war Vivaldis Concerto c-Moll RV 441 sowie die Komposition »KEMET (Schwarze Erde)« für Blockflöte und modernes Kammerorchester von J. M. Sánchez-Versú.
Zwei Solisten machten schließlich das Rennen und wurden mit dem Preis des Deutschen Musikwettbewerbs ausgezeichnet: Ein Oboist und ein Hornist. Maximilian Volbers aber durfte sich mit einem Stipendium der Deutschen Stiftung Musikleben trösten.
Der Erfolg, anlässlich dieses denkwürdigen Wettbewerbs, ist der Blockflötenjury als wahrer Kaderschmiede einer ganzen Schar von mehrheitlich barock und avantgardistisch musizierenden SolistInnen gewiss.
Im kommenden Jahr können sich BlockflötenspielerInnen in der Kategorie »Ensembles für Alte Musik« sowie 2019 in der Kategorie »Ensembles für Neue Musik« erneut am DMW einbringen. Erst 2020 wird es für die Blockflöte mit einer neuen Generation interessanter NachwuchskünstlerInnen in der Solokategorie einen zweiten Anlauf geben.
Nik Tarasov